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WOODEN SHJIPS, DIRTY BEACHES, 07.12.2013, Les Trinitaires, Metz

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img 0116 490 WOODEN SHJIPS, DIRTY BEACHES, 07.12.2013, Les Trinitaires, Metz

Foto: iPhone Lino

Frage: Was macht ihr denn jetzt in Lothringen?
Antwort: Das Angenehme mit dem Angenehmen verbinden. Die  Psychedelic-Schrate von Wooden Shjips live begutachten, und dabei unseren alten gig-blog Freund und Pop-Genius Jérôme von Orwell besuchen.
Aber noch eine Frage: Werden jetzt so schlimme Smartphone-Fotos Standard bei Euch? Euer Adventskalender zeigt doch gerade, dass ihr da doch auf ganz anderem Niveau Bilder liefert.
Antwort: Natürlich nicht, aber in Frankreich war auf die Schnelle kein Fotograf zu aquirieren. Außerdem sah das in der Realität auf der menschlichen Retina genau so grob-flashig aus wie auf dem Bild. Echt jetzt!

Normal ist es wirklich nicht, dass man wegen einer Band, die man schon mag, aber jetzt nicht der allergrößte Fan der Welt ist, diese Reise auf sich nimmt. Aber Madame P. und ich suchen ja schon seit Jahren nach einem Alibi, um endlich mal wieder den von uns in allen Belangen höchst geschätzten Jérôme Didelot von Orwell wieder besuchen zu dürfen. In Nancy wohnt er, das ist quasi ums Eck von Metz, wo die Wooden Shijps auftreten werden.

Einigermaßen Erfreuliches gibt es zum Thema Orwell zu vermelden. Die Songs für ein neues Album sind geschrieben. Wie für viele Künstler steht jetzt das Problem an, die Mittel aufzutreiben, um es zu produzieren. Hoffen wir, dass er schnell Wege finden wird, denn eine nahe Zukunft ohne eine neue Orwell-Platte wollen wir uns nicht vorstellen.

Zwei kleinere Stadtbesichtungen (das durchaus schöne Nancy & das wirklich beeindruckend pittoreske Metz) später, treffen wir gegen halb neun Abends in der „Les Trinitaires“ ein. Eine alte Kirchenkapelle ist das. Steinsäulen, Bögen, angenehme Größe, ein Auftrittsort, der wirklich speziell und schön ist. Erster Supportact ist ein Mann, der an einem Tisch steht, und elektronische Musik macht. Als absoluter Ignorant in diesem Genre fallen mir nur (Fehl-)Einschätzungen à la Ambient, Noise, Post-irgendwas ein. Zeit um was zu trinken, und Merchaufträge in Sachen WS für Kollege Tox zu kaufen.

Der zweite Supportact Dirty Beaches entfernt sich vom Stil her nicht sehr weit, aber ist dann doch spannender. Zwei Jungs, der eine bedient ab und an ein Saxophon, die elektronische Soundscapes kreieren. Ab und zu wird auch ein wenig gebrüllt und Luft geboxt. Es gibt aber auch Beats ab und an, die dem Ganzen rhythmisch Struktur geben. Jérôme glaubt erst sich Anfang der 80er bei einer belgischen EBM-Band zu befinden. Bei einem anderen Stück, das eine schöne Bassline hat, haben wir übereinstimmend eine David-Lynch-Assoziation. Pop-Musik-Aficionado Madame P. überrascht uns dann alle damit, dass ihr der Auftritt gefallen hat, und sie eine Radio Dept. so vom allgemeinen Ding her und der Attitüde, festgestellt hat. Auch wenn’s nicht meine Musik ist, aber ein Auftritt, der durch seine Intensität einen nicht unberührt lässt.

In der letzten Umbaupause notieren wir noch eine gut sichtbare Digitalanzeige mit Zahlenwerten. Jérôme klärt uns auf, dass bei Konzerten in Frankreich eine Dezibel-Anzeige verpflichtend ist. Finde ich als Messwerte-Nerd prinzipiell schon mal gut, und ignoriere Madame P.s „voll Rock’n Roll“ geflissentlich.

img 0119 490 WOODEN SHJIPS, DIRTY BEACHES, 07.12.2013, Les Trinitaires, Metz

Foto: iPhone Lino

Wooden Shjips kommen, wie es sich für eine Band dieser Musikrichtung gehört, selbstverständlich aus San Francisco. Jim Jarmusch, der erst gerade mit seiner Vorliebe für White Hills erneut ein Bekenntnis zum Thema Spacreock abgegeben hat, ist auch Fan von denen. Das Konzert ist dann vom Konzept her schnell erklärt, denn da wird ein Stiefel von Anfang bis Ende durchgezogen. Und wenn man jetzt meint, dies sei eine negative Meinung, der irrt. WS haben sich anscheinend die Thematik „Hypnose“ auf die Fahnen geschrieben, und wählen dazu die Methode der endlosen Repetition.

Und das geht dann so: Charles-Manson-Lookalike Ripley Johnson gibt ein simples Riff vor. Der Bass nimmt das Riff auf, und spielt es gnadenlos bis zum Ende des Songs unverändert durch. Der Schlagzeuger spielt auf seinem Minimal-Drumkit stoisch ohne jegliches Break oder Fill-In. Keyboard und Gitarre sorgen dann für den Rest des Songs für eine flirrende Effektsoundwand, der Gesang ist gleichberechtigt abgemischt, und geht so in dieser Soundmeer mit Absicht etwas unter. Die psychedelischen Visuals übernehmen den Rest.

Der hypnotische Effekt stellt sich somit zwangsläufig auch ohne Drogenkonsum ein. Was mir besonders gefällt ist, wie Bass und Schlagzeug fast schon immer swing-artige Rhythmen erzeugen, das Ganze pulsiert irgendwie, man wippt mit dem Schlagzeuger mit. Laut-Leise-Dynamiken gibt es so gut wie keine (die Dezibels sind konstant über 100), sie könnten den Hypnosepatienten, uns, eventuell verstören. Zwei „thank you“ gibt es zu hören, das war’s dann schon. Eine Psychedelic-Swing-Krautrock Show, die ich so in dieser gnadenlosen Konsequenz auch noch nie gesehen habe.

Um Mitternacht ist das Konzert dann nach zwei Zugaben vorbei, und wir haben einen besonderen Tag, ein besonderes Konzert an einem besonderen Ort hinter uns gebracht und fahren mit der Welt und dem ganzen Rest im Reinen wieder zurück nach D.


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